Mitteldeutsches Trockengebiet
Trockenhang auf Muschelkalk unter einem historischen Steinbruchgelände am Schafberg bei Weischütz-Zscheiplitz (Unstrut)
Der östliche Harz ist von einer besonders niederschlagsarmen Region umgeben. Harz und westliches Thüringer Hügelland (Hainich, Eichsfeld) fangen einen großen Teil der aus westlichen Richtungen kommenden Niederschläge ab. Das südöstliche und östliche Harzvorland ist deshalb eine der trockensten Regionen Deutschlands ("mitteldeutsches Trockengebiet"). Einige Regionen müssen mit weniger als 500 Millimeter Jahresniederschlag auskommen: Das Unstruttal zwischen Artern und Freyburg sowie Teile des Mansfelder Landes als Kernbereiche des mitteldeutschen Trockengebietes. Die geringen Niederschläge verbinden sich mit einer hohen Sonnenscheindauer und beides führt zu einem kontinentalen Klimacharakter. Die Winter sind vergleichsweise mild, besonders in den geschützten Tälern. Dort herrscht ein ausgesprochen wintermildes Klima ("Weinbauklima"). An sonnenexponierten Hängen kommt es noch zusätzlich zu einer stärkeren Erwärmung, so dass solche Lagen oft von Xerothermbiotopen eingenommen werden.
Neben dem lokalen Klima (Meso- und Mikroklima) spielt der geologische Untergrund eine wichtige Rolle. Anhydrite aus dem Zechstein sowie Sandsteine, Tonsteine und Karbonate der Trias sind landschaftsprägende Gesteinsformationen. Halokinese ("Salztektonik") und Subrosion von Salzen und Anhydrit/Gips aus dem Zechstein wirkten als weitere Einflussfaktoren auf die Landschaftsgestaltung ein. Das Zechsteinsalz speist aber auch natürliche Salzquellen als Standorte von Halophytengemeinschaften.
Geologischer Untergrund sowie trockenes und mildes Klima sorgen für zahlreiche Besonderheiten der Vegetation. Besonders die südexponierten Hänge am Kyffhäuser und in seiner Umgebung sowie an Saale und Unstrut und deren Nebentälern zeichnen sich durch artenreiche, subkontinentale bis submediterrane Xerothermbiotope aus. Sie beheimaten zahlreiche seltene Pflanzen, Pilze und Tiere und sind ein ideales Exkursionsgebiet für Naturfreunde.
Alter Steinbruch im Unteren Muschelkalk am Langen Berge bei Müncheroda (Burgenlandkreis)
Mitteldeutsches Trockengebiet: Geologie
Im Untergrund des mitteldeutschen Trockengebietes bilden Gesteine der Mitteldeutschen Kristallinzone, einer Baueinheit der mitteleuropäischen Varisziden, den wesentlichen Teil des Grundgebirgsstockwerks. Sie treten nur an der Nordostseite des weit herausgehobenen Kyffhäusers zu Tage. Auf dieses Basement folgen die variszischen Molassen in Form von überwiegend roten Sandsteinen und Konglomeraten aus dem Oberkarbon und Perm ("Permosiles"), begleitet von Rhyolithen/Tuffiten.
Im höheren Perm entstand allmählich die flache Beckenstruktur des Mitteleuropäischen oder Germanischen Beckens, welches im Zechstein vom Meer geflutete wurde. Aufgrund besonderer paläogeographischer und klimatischer Verhältnisse entstand im Zechstein in mehreren Salinarzyklen eine vor allem von Evaporiten dominierte Gesteinsserie. Steinsalz mit wertvollen Kaliflözen und mächtige Anhydritformationen sind charakteristische Gesteine dieser Epoche. Letztere bilden die Gesteinsbasis der einzigartigen Gipskarstlandschaften am Südharz und am Kyffhäuser. In der darauf folgenden Trias wurden zunächst der mächtige Buntsandstein abgelagert, im Oberen Buntsandstein (Röt) folgen vor allem Tonsteine, Gipse und Dolomite mit einem Salinar an der Basis. Danach übernahm das Muschelkalkmeer die Regie und hinterließ Karbonate und Evaporite (Mittlerer Muschelkalk). Die Karbonate des Unteren Muschelkalks spielen eine wichtige Rolle im Landschaftsbild. Der Keuper als letztes Glied der Trias ist bunter zusammengesetzt und enthält neben Sandsteinen, Tonsteinen und Mergeln auch wieder mächtige Gipse.
Aus dem jüngeren Mesozoikum (Jura und Kreide) fehlen Gesteinsnachweise. Erst ab Tertiär sind wieder Gesteine überliefert. Sie kommen heute erosionsbedingt nur noch punktuell vor, beispielsweise in Karstschlotten im Muschelkalk oder als Schotterkörper auf den tertiären Rumpfflächen. Die quartäre Eiszeit war der jüngste große Landschaftsgestalter. Mehrfach drangen die Eismassen nach Mitteldeutschland vor und trugen vor allem tertiäre Lockergesteine und Verwitterungsdecken ab. Zurück blieben dafür Moränen und Schmelzwasserbildungen. Im Vorfeld der Gletscher entstanden fruchtbare Lössdecken. Selbst die Talbildung der Flüsse und damit die heutige Landschaftsgliederung erfolgte weitgehend erst in jüngster Zeit.
Muschelkalkhang des Langen Berges bei Müncheroda (Burgenlandkreis)
Mitteldeutsches Trockengebiet: Naturraum
Der Naturraum des mitteldeutschen Trockengebietes ist kleinräumig gegliedert. An die paläozoischen Gesteine des Südharzes schließt sich ein breiter Streifen von Zechsteinanhydriten an, in welchem die bekannten Gipskarstlandschaften der Südharzregion angesiedelt sind. Daran schließt sich der Buntsandstein der Sangerhäuser Mulde an und am Kyffhäuser tauchen Präzechstein und Zechstein mit mächtigen Anhydriten wieder an der Oberfläche auf. Dazwischen liegt die breite Subrosionswanne der Goldenen Aue. Sie setzt sich über die Helme-Unstrut-Niederung bis in die Gegend von Rossleben-Memleben fort. Die südexponierten Gipskarstlandschaften mit ihren Pflanzenvergesellschaftungen repräsentieren einen einzigartigen Landschaftstyp.
Nach Osten und Südosten schließt sich die Triaslandschaft an der Unstrut an. Zunächst folgt der Buntsandstein der Ziegelrodaer Buntsandsteinplatte mit einer deutlichen Schichtstufe. Daran schließt sich der Muschelkalk der Querfurter und Naumburger Mulde an, der mit seiner Steilstufe das Unstruttal zwischen den Schmoner Hängen und Naumburg prägt. Im Tertiär entwickelte sich hier eine völllig eingeebnete Rumpffläche (Muschelkalkplatte), welche nachfolgend durch junge (quartäre) Talbildung in einzelne "Platten" zerlegt wurde (Querfurter Platte, Rödel bei Freyburg oder Saale-Ilm-Platten südlich von Naumburg). Die sonnenexponierten Talhänge mit ihren karbonatischen (basischen) Gesteinen des Oberöts und Muschelkalks beherbergen heute den wesentlichen Teil der xerothermen Pflanzengesellschaften, welche den besonderen Charakter der Region ausmachen.
Nordöstlich schließt sich der trockene Raum des Mansfelder Landes um den Salzigen und den Süßen See an, der geologisch auf der Merseburger Buntsandsteinplatte liegt. Südwestlich bildet der Höhenzug der Finne (Hermundurische Scholle) die Begrenzung zum anschließenden Thüringer Becken. Die südwestexponierten Hänge der Finne (Richtung Thüringer Becken) beheimaten ebenfalls thermophile Pflanzenvergesellschaftungen, doch ist es hier nicht so extrem trocken wie an der Unstrut oder im Mansfelder Land.
Pyramiden-Hundswurz (Anacamptis pyramidalis)
Mitteldeutsches Trockengebiet: Flora
Die unterschiedlichen Pflanzenvergesellschaftungen und Standorte werden nach verschiedenen Kriterien bewertet. Ein wichtiges Kriterium ist der Reichtum seltener und mehr oder weniger gefährdeter Arten. Unter diesem Gesichtspunkt sind xerotherme Standorte auf Gips, Anhydrit, Muschelkalk oder auch Löss im Kern des Trockengebietes besonders interessant. Trockenrasen, Gebüsche und Trockenwälder zeichnen sich durch einen großen Reichtum andernorts seltener Arten aus und sind deshalb heute häufig als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Pflanzenvergesellschaftungen werden heute mit einer sehr komplexen Terminologie erfasst. Anstelle dieser Terminologie nachfolgend eine erste grobe Annäherung:
Xerotherme Rasen (Trockenrasen als Voll- und Halbtrockenrasen) gehören zu den besonders charakteristischen und artenreichen Xerothermbiotopen der Region, besonders auf basischen Gesteinen. Zahlreiche Orchideen, Graslilien, Frühlingsadonisröschen oder Enziane siedeln auf den xerothermen Rasenflächen.
Xerotherme Gebüsche mit Wolligem Schneeball und Waldsäume vermitteln zu den warmen Traubeneichen-Hainbuchen-Trockenwäldern. Ihre Säume zeichnen sich durch bunte Mischungen aus Hain-Wachtelweizen, Blutrotem Storchschnabel und Blaurotem Steinsame aus und im Waldesinneren sind u. a. diverse Orchideen (Cephalantera- und Epipactis-Arten) zu finden. Je nach Untergrund, Ausrichtung zur Sonne und Feuchtigkeit sind zahlreiche Modifikationen zu beobachten (und pflanzensoziologisch klassifiziert).
Bei aller Orchideenpracht sollte man eines nicht vergessen: Zahlreiche seltene Pflanzenarten sind eher klein und unauffällig, beispielsweise selten gewordene Wildkräuter der Kalkäcker und Frühlingsephemeren der Trockenhänge. Halophyten an Salzstellen oder die "Schwermetallpflanzen" auf Kupferschiefer gehören ebenfalls zu den bemerkenswerten Pflanzengesellschaften der Region.
Feuerfüßiger Gürtelfuß (Cortinarius bulliardi) aus einem Eichen-Hainbuchen-Trockenwald auf Muschelkalk.
Mitteldeutsches Trockengebiet: Pilzflora
Was für die Pflanzenvergesellschaftungen der Region zutrifft, gilt ebenfalls für die Pilze. Auch hier zeichnen sich die Xerothermbiotope durch artenreiche Vergesellschaftungen aus, die manche seltene bis extrem seltene Art enthalten. Zuweilen zeigt die Pilzflora einen deutlich mediterranen Anstrich. Pilze sind aber eine schwer zu beobachtende und zu katalogisierende Organismengruppe, besonders natürlich in einem Trockengebiet. Oft fällt ein ganzer Jahrgang der Fruchtkörperbildung der Trockenheit zum Opfer oder die Fruktifikation reduziert sich auf eine kurze Episode im Herbst. Man muss also viel Ausdauer mitbringen, um ein solches Gebiet näher kennenzulernen.
Wenn man im Sommer die ausgedörrten Xerothermrasen anschaut, möchte man zunächst nicht glauben, dass an solchen Stellen ein interessantes Pilzleben existieren könnte. Doch kommen auch hier zahlreiche Pilzarten vor - und wachsen oft auf trüffelartige Weise (Hypogäen) unter der Erdoberfläche. Der normale, trockene Sommeraspekt täuscht also. In feuchten Witterungsphasen oder nach kräftigen sommerlichen Gewittergüssen erscheinen plötzlich Pilze in großer Zahl, beispielsweise Saftlinge und Rötlinge, begleitet von bisweilen extrem seltenen Steppentrichterlingen, Wiesenkeulen und weiteren Pilzgruppen.
Die thermophilen Trockenwälder beherbergen seltene Dickröhrlinge wie Satanspilz, Wurzelnder Bitterröhrling, Blasshütiger Röhrling oder Goldröhrling. Ein Heer von Haarschleierlingen (Gattung Cortinarius) ist vor allem im Herbst in den Wäldern zu finden. Über 100 Arten der artenreichen Gattung sind aus der Region bekannt. Manche davon bekommt man nur ausgesprochen selten zu sehen, denn sie fruktifizieren nur in Abständen von Jahren einmal und man muss im passenden Moment dann auch vor Ort sein. Außerdem kommen etliche Arten nur an wenigen Punkten vor, welche man kennen muss.
Selbst alte Steinbruchlandschaften bilden Refugien für seltene Pilze. Die basischen Böden auf Muschelkalk beherbergen besonders artenreiche Pilzgesellschaften. Selbst die kargsten Geröllböden alter Muschelkalkbrüche können einen erstaunlichen Pilzreichtum hervorbringen.
Mitteldeutsches Trockengebiet: Fauna
Faunistisch sind wieder die Xerothermbiotope von besonderer Bedeutung, für manche Gruppen aber auch die Flussauen (z. B. Mollusken). Nun ist es natürlich schwierig, in zehn Sätzen die Gesamtthematik zu umreißen. Richten wir uns also nach dem, was draußen besonders augenfällig ist. Unter den Wirbellosen sind es da sicherlich besonders Schnecken, Spinnentiere und Insekten.
Wenn sich an heißen, trockenen Tagen die Weiße Turmschnecke (Zebrina detrita) oder Helicella itala an hohen Pflanzenhalmen einkapseln, um der größten Hitze am Boden und der Austrocknung zu entgehen, ist das ein typisches Sommerbild xerothermer Rasen. Obwohl gerade Zebrina an manchen Stellen im Unstrutgebiet häufig vorkommt gilt sie außerhalb dieser Plätze als selten.
Xerothermrasen und Weinberge sind Schmetterlingsbiotope und eine ganze Reihe seltener Falter kann an den warmen, sonnigen Plätzen beobachtet werden. Dazu gehören Schwalbenschwanz, Segelfalter, diverse Schillerfalter und Bläulinge. Andere Gruppen verraten sich vor allem durch ihre Larven (Raupen). Auf der Zypressen-Wolfsmilch kann man beispielsweise im Spätsommer die bunten Raupen des Wolfsmilch-Schwärmers beobachten, während der nachtaktive Falter nicht so leicht zu finden ist.
Schmetterlinge sind sicher die auffälligsten Insekten, doch bieten gerade auch Grashüpfer/Heuschrecken oder Käfer manche Besonderheit, ebenso die Spinnen. Zu diesem Thema gibt es eine umfangreiche Spezialliteratur.
Unter den Wirbeltieren sind einige Reptilien besonders interessant, darunter Zauneidechse, Schlingnatter oder Glattnatter.
Muschelkalkhang am Göttersitz bei Bad Kösen mit Weinbergen unter der Muschelkalksteilstufe.
Mitteldeutsches Trockengebiet: Kulturlandschaft
Die klimatisch und von den Bodenverhältnissen her begünstigten Gebiete Mitteldeutschlands wurden früh besiedelt und für Ackerbau genutzt. Zahlreiche archäologische Funde belegen eine recht dichte Besiedlung bereits in der Jungsteinzeit und frühen Bronzezeit. Natürliche Salzquellen und Kupfererze (Kupferschiefer) waren sicher weitere Anziehungspukte für die ersten großen Siedlungswellen.
Im Mittelalter durchzogen Handelsstraßen das Land (beispielsweise "Salzstraße" und "Kupferstraße"). An strategisch wichtigen Punkten entstanden Burgen und Befestigungen. Die alten Verkehrswege kann man auch heute noch im Gelände beobachten (beispielsweise Hohlwege an den Talhängen). Mönche begannen vor etwa 1000 Jahren mit dem Anbau von Wein. Weinbau an terrassierten Steilhängen sowie die mittelalterliche Hutungswirtschaft prägten die Landschaft unverwechselbar. Selbst die damalige Form der Waldbewirtschaftung (Nieder- und Mittelwald) hinterließ bis heute sichtbare Spuren in den Wäldern.
Über ihre Verwendung als Bausteine flossen die Gesteine der Region ebenfalls in den Charakter der Kulturlandschaft ein. In Buntsandsteingebieten sind es die überwiegend rötlichen Sandsteine, während der hellgraue Muschelkalk die historische Bausubstanz der Muschelkalkgebiete dominiert. Der Untere Muschelkalk lieferte mit dem Schaumkalk ein exzellentes Ausgangsmaterial für bildhauerische Arbeiten (beispielsweise Stifterfiguren im Naumburger Dom).
Diese alte Kulturlandschaft ist erstaunlich gut über die Zeit gekommen und in ihren Grundzügen bis heute erhalten geblieben. Der Reichtum offener, orchideenreicher Xerothermrasen ist ohne die früher verbreitete Schaf- und Ziegenbeweidung kaum denkbar. Nach alten Bildern muss die Landschaft früher aber noch viel waldärmer gewesen sein. Wald hat erst in jüngerer Zeit wieder deutlich an Fläche zugenommen. Ohne menschliche Eingriffe (Beweidung und Entbuschung) würden sich Wald und Gebüsche weiter ausdehnen und offene Biotope verdrängen. Die hohe biologische Diversität heute ist also auch ein Produkt mittelalterlicher Landnutzung.