Geologie & Natur in Mitteldeutschland

Prof. Dr. Arnold Müller - Geologe / Paläontologe
Teufelsmauer

Fauna der Felslitorale von Mammendorf 1

La Palma Blockstrand

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


1: Felslitoral im basaltischen Gestein auf La Palma (Kanaren)

 

Fossilgemeinschaften aus den unteroligozänen Felslitoralen von Mammendorf

An der Südostabdachung des Flechtinger Höhenzuges in Richtung Magdeburg, östlich des Dorfes Mammendorf bei Irxleben und ca. 22 km nordwestlich des Stadtzentrums von Magdeburg, betreibt die Cronenberger Steinindustrie Franz Triches GmbH & Co. KG einen großen Steinbruch in permischen Andesiten. Ganz in der Nähe liegt der Fuchsberg mit einer Höhe von 141 m über NN. Von hier aus fällt das Gelände (speziell die Prätertiäroberfläche) nach Südosten auf Werte zwischen 40 und 50 m in der Domumgebung in Magdeburg ab (Schönberg 2016). Das entspricht einer Höhendifferenz von etwa 85 bis knapp 100 m bei rund 22 km Luftlinie.

Zur Domumgebung: Schönberg, G. (2016): Steht der Magdeburger Dom auf dem Domfelsen?.– Hallesches Jahrbuch für Geowissenschaften, 38 (2016), 15-28.

Mammendorf Visualisierung See

2: Imagination Nordsee bei Magdeburg
Vor mehr  als 30 Millionen Jahren versank die Umgebung von Magdeburg in den Fluten der unteroligozänen Nordsee – auch der bei dieser Aufnahme gewählte Kamerastandpunkt bei Irxleben. Im Hintergrund die Turmspitzen des Magdeburger Doms.


Auf dem Kamm des im Steinbruch Mammendorf aufgeschlossenen Andesits, direkt SW der maximalen Höhe, wurden Reste eines unteroligozänen Felslitorals in dieser exponierten Höhe gefunden, weil während der pleistozänen Vereisungen die Eisvorstöße der Elster- und Saalevereisungen hier aufgrund von Spezialeffekten die Felslitoralentwicklungen nicht komplett zerstören konnten. Das Eis wurde beim Übergang über den Felskamm etwas geliftet und so entstand direkt hinter dem Rückens (südwestlich davon) – und tatsächlich nur hier – ein Erosionsschatten mit Erhalt oligozäner Blockstrandsedimente.

Die Lücken zwischen den gerundeten Blöcken sowie Spalten und wannenartigen Erosionsformen sind von außerordentlich fossilreichen Sedimenten erfüllt und die Fossilien liegen oft in perfekter Erhaltung vor. Innerhalb der Litoralentwicklung wurden sehr schnell zwei verschieden Faunentypen erkannt (Müller 2010). Eine Fauna enthält zahlreiche Warmwasserelemente und kann mit dem späten Latdorfium korreliert werden (späte NP21 bis frühe NP22). In der zweiten Fauna dominieren zahlreiche kühlpräferente Taxa mit typischen Arten des „Magdeburger Grünsandes“ (höhere NP22), wie er im Magdeburg zuletzt anhand einer fossilreichen Großprobe gründlich analysiert werden konnte (Müller & Rozenberg 2000, Welle 2009, Welle & Nagel 2003). Die beiden Faunenkomplexe und unterscheidbaren Horizonte wurden von Müller (2011) als M1-M3 für den unteren („warmen“) Anteil und M5-7 für den oberen („kühlen“) Anteil kodiert.

Aufgrund der einzigartigen Felslitoralsituation unterscheiden sich die Molluskenfaunen beider Faunenkomplexe sehr stark von den Faunen siliziklastischer Weichbodensedimente des norddeutschen Latdorfiums und Rupeliums, zeigen aber sehr Affinitäten zu den Faunen der unteroligozänen Meeressande des Mainzer Beckens, vor allem der untere Faunenkomplex mit seinen zahlreichen Warmwasserelementen. Zahlreiche, bisher nur aus dem Mainzer Becken bekannte Taxa sind erstmalig für das Nordseebcken auch im Mammendorfer Felslitoral gefunden worden. Die faunistischen Beziehungen zwischen der unteroligozänen Nordsee und dem Mainzer Becken waren demnach wesentlich enger als das bisher zu vermuten war. Da die untere Mammendorfer Fauna etwas älter ist als die des Mainzer Beckens, ergeben sich auch neue Einsichten in die Migrationsrichtung wichtiger Faunenelemente.

Aufschlussübersicht

3 Aufschluss Mammendorf im Überblick.
1: östliche Abbauwand, obere Abbauebene. Pleistozäne Sedimente (Geschiebemergel und Schmelzwassersande)  werden im Abbaubetrieb von der Andesitoberfläche abgeräumt. Auf der Andesitoberfläche sind Blockpackungen des unteroligozänen Felslitorals erhalten, darin unterer Faunenkomplex mit M1: karbonatfreie Grünsande mit Selachierzähnen, 2: Grünsande mit Mollusken u.a. Fossilien, M3: Isognomon-Schille, M6/M7: geringmächtige Sande und Tone mit Phosphoritniveau (oberer Faunenkomplex). 2 und 3: Situation Anfang 2007: M2: fossilführender Grünsand, M3: große Sediment-„Taschen“ mit Isognomon (weiße Schalen in 2), M4/M5: geringmächtige, fossilreiche Sande (entsprechen M6) und Septarienton-Reste (M5), M6: fossilreiche Sande des oberen Faunenkomplexes, M7: grüne Tone des oberen Faunenkomplexes. 4: Quartärprofil auf der Andesitoberfläche. A: Reste der Blockpackungen, B: allochthone Grünsande mit nordischen Geröllen (Flint), C: Geschiebemergel (Saaleglazial), D: Löß und rezenter Boden. 5: Reste von fossilfreien Grünsanden M1 (Gs)  auf roten Tuffiten (Ro), darüber Grundmoräne (Gm).

 

Mammendorf Details M3

3 Details aus dem unteren Komplex (M1-M3).
1: Blockpackung mit Grünsand M1, darin abgerollte Selachiwerzähne. 2: Blockpackung mit Zwickefüllungen aus fossilführenden Grünsanden (M2). 3: Austritt von Grünsand M2 an der Oberfläche der Blockpackung. 4: Blockpackung mit Zwickelfüllung aus Grünsand (Fauna Übergang M2/M3).
5: Große Tasche (mehrere Meter Erstreckung) in M3 mit zahlreichen großen Isognomon und Balanidenschill. Die Taschenfüllung besteht aus Grünsanden und eckigen, oft etwas plattigen Andesitbrocken. Hier lokal karbonatische Verkittung und zahlreiche, oft doppelklappig erhaltene Isognomon-Exemplare.

Felslitorale La Palma

4 Rezentbeispiele von La Palma (Kanaren): Felsküsten bei Puerto Naos (Westküste). Maßstab = 10 cm.
1: Offene Küste N Puerto Naos mit starker Brandung. Die Basaltblöcke sind hier in ständiger Bewegung („Rollen“) und deshalb kaum von Epifauna besiedelt. 2-7: Felsküste S Puerto Naos mit kleineren, ruhigeren Buchten. 2 Darin flache, wenig über der Niedrigwasserlinie liegende Felswatte mit starkem Bewuchs im Spritzwasserbereich sowie größeren und kleineren Auskolkungen, welche den „Taschen“ des Mammen­ dorfer Felslitorals entsprechen. 3: Rinnenförmige Auswaschung im Basalt mit Blöcken und schillhaltigem Sand. 4: Die Auskolkungen können aufgrund der Heterogenität der jungen Basalte sehr unregelmäßig­ zerfressen aussehen. 5: Blockdecke mit  flacher Rinne in einem etwas höher gelegenen, normal trockenem Bereich (Supratidal). Solche aus etwa faust­ großen, gut gerundeten Geröllen bestehenden Decken wurden auch im Aufschluss Mammendorf beobachtet. 6/7: Flache Rinnen im geschützten Bereich mit starkem Balaniden­-Aufwuchs (7: vergrößert).

 

Mammendorf M3 - M7
5 Weitere Details aus dem unteren Komplex (M1-M3) und dem oberen Komplex (M6/M7).
1-2: Details aus der großen Grünsandtasche in M3 (siehe Abb. 4/5) mit großen, doppeklappigen Isognomon-Exemplaren und kantigen Andesitblöcken, an der Basis große Blöcke auf der anstehenden Andesitoberfläche. 3: Blockdecke an der Basis von M6 mit gerundeten, teilweise großem Andesitblöcken und fossilführenden Grünsanden ind den Zwickelräumen. In den Grünsanden Fauna M6. 4: Ausschnitt aus 5/3 mit nahezu ideal gerundetem Andesitblock von knapp 1 m Durchmesser. 5: Größere Tasche in Andesitoberfläche etwas unterhalb der Andesitkuppe. Diese Tasche enthielt neben kantigen Andesitblöcken Grünsand M6, darin massenhaft große Primärstacheln von Stereocidaris sowie großwüchsige Astarte dilatata. 6 und 7: Große Tasche mit Grünsand M6 und Ton M7 unmittelbar (SW) unter der Andesitkuppe. 6: Gesamte Tasche auf glatt geschliffener Andesitoberfläche (A), eingerahmt von ebenfalls glatt geschliffenen, nahezu senkrecht abfallenden, sicher autochthonen Andesit-Großblöcken. Die Sedimentfüllung der Tasche enthält in den unteroligozänen Sedimenten ebenfalls kantige Andesitblöcke unterschiedlicher Größe. Die gestrichelte Linie zeichnet die Grenze der Tasche nach. 7: Detail aus der Taschenfüllung mit Sand M6, phospahtischem Horizont (Ph) und Ton M7. Bei A liegen sehr große Klappen von Astarte dilatata.

 

Felsküste Bretagne

4 Rezentbeispiele von der bretonischen Küste (Frankreich)
1: Kastenförmige Tasche mit senkrechten Wänden (ähnlich waren manche „Taschen“ im Steinbruch Mammendorf, siehe Abb. oben). An den Wänden Bewuchs von Balaniden sowie häufiges Vorkommen von Patella.2: Spalte im Granit (Klufterweiterung) mit Massenvorkommen von Littoriniden. 3: Zwickel zwischen größeren Blöcken. Bewuchs von Balaniden und Mytilus, dazu häufiges Vorkommen von Patella und Nucella.
4: Spalt zwischen größeren Blöcken mit Besiedlung durch Austern. 5: Kleiner Gezeitentümpel zwischen großen Blöcken bei Ebbe mit Aktinien, Nucella, Patella und Austern. 6: Enger Spalt im Granit mit Patella, Mytilus und Littoriniden

Fossilien

Mammendorf Korallen 1

Anthozoa (Korallen)
Lobopsammia cariosa (Goldfuss, 1826), sehr gut erhaltener, verzweigter Stock.

Mammendorf Korallen 2

Anthozoa (Korallen)
1 Lobopsammia cariosa (Goldfuss, 1826), M3; 2 Diplhelia sp. 2, M3; 3 Diplhelia aff. D. solanderi Orbigny, 1850, M3; 4 Balanophyllia sp., M6; 5-7 Caryophyllia sp. 3, M7; 20: 8 Caryophyllia? sp. 1, M4.

Mammendorf Brachiopoden

Brachiopoda (Armkiemer)
1 Discinisca fallens (Wood, 1874); 2 Lacazella mediterranea (Risso, 1826); 3 Pliothyrina grandis (Blumenbach, 1803); 4 Argyrotheca bitnerae Dulai in Dulai & Stachacz, 2011; 5 Megathiris detruncata (Gmelin, 1791); 6 Bronnothyris rugosa (Schreiber, 1871).

Mammendorf Serpuliden

Serpulida (Kalkröhrenwürmer)
1-2 Protula sp., 1 Teil einer großen Röhre aus M6 und Reste einer Röhre mit phosphatisiertem Steinkern, Grenze M6/M7; 3 Serpulid in situ auf Bryozoenstöckchen; 4-7 verschiedene Serpuliden aus Niveau M6; 8 "Spirorbis sp., M6.