Geologie & Natur in Mitteldeutschland

Prof. Dr. Arnold Müller - Geologe / Paläontologe
Teufelsmauer

Naturraum Mitteldeutschland: Landschaftsbeispiele

Zwischen dem Flechtinger Rücken im Norden und dem Thüringer Wald im Süden bietet die Region abwechslungsreiche Landschaften. Einige davon sollen beispielhaft in einer Kurzcharakteristik vorgestellt werden.


Gipskarst-Landschaften

Mehrere Hundert Meter mächtige Anhydrite und Gipse aus dem Zechstein kommen am südlichen und südöstlichen Harzrand an die Oberfläche, ebenso an der südlichen Umrandung des Kyffhäusers. Anhydrit und Gips sind Sulfatgesteine (Kalziumsulfat, CaS04) und in Wasser relativ leicht löslich. Durch Lösung (Subrosion) von Anhydrit und Gips entstehen interessante Karstlandschaften. Ein großer Teil der Verkarstung läuft im Verborgenen ab. Unter der Erdoberfläche frisst sich das Wasser von Klüften und Spalten aus durch das Gestein, weitet Klüfte zu Karstspalten und Schlotten auf und schafft schließlich umfängliche Höhlensysteme. Mancher Bach verschwindet in einem Schluckloch (Ponor) unter die Erdoberfläche und kehrt manchmal erst Kilometer weiter zurück an's Licht. Schließlich brechen Hohlräume ein und Erdfälle sowie Dolinen gehen daraus hervor. All diese Naturphänomene sind im Südharz-Kyffhäusergebiet perfekt zu beobachten. Es ist die Vorzeigeregion für Gipskarst in Mitteleuropa.

Sulfat, egal ob Anhydrit oder Gips, ist auch ein besonderer Untergrund für Pflanzen. Vieles ähnelt zwar der Vegetation auf Muschelkalk oder anderen Karbonaten, aber der eigene Charakter ist unverkennbar, nicht nur durch das sprichwörtliche Ebensträußige Gipskraut (Gypsophila fastigiata). Noch stärker trifft das vielleicht für die Flechtenvergesellschaftungen zu. Die Karstlandschaften am Südharz und am Kyffhäuser sind bekannt für ihre artenreichen Pflanzengesellschaften. Und manchmal bringen natürliche Salzquellen noch eine besondere Note in die Flora...

Karstlandschaften
1) Südwestlicher Hang der Ochsenburg am Kyffhäuser mit seiner Steppenflora auf Gips/Anhydrit aus dem Zechstein. 2) Karstbuchenwald auf der Ochsenburg mit Anhydritaufschlüssen und offenen Karstspalten.


Thüringer Becken (nördlicher Teil)

Im Inneren des Thüringer Beckens bilden Gesteine des Keupers (Obertrias) eine entscheidende Rolle in der Oberflächengestaltung und als Bodensubstrat. Anders als Buntsandstein und Muschelkalk ist der Keuper lithologisch viel bunter zusammengesetzt: Sandsteine, Tonsteine, Karbonate und Gips kommen vor. Die meist relativ weichen und leicht verwitterbaren Gesteine führen zu sanften Oberflächenformen. Schroffheit kommt selten vor. Besonders schön ist die Keuperlandschaft in der Schillingstedter Mulde entwickelt. Tonsteine, Sandsteine und Gips bilden sanfte Hügelketten. Oft ist der Boden lebhaft rötlich gefärbt. An den Spatenbergen/Roten Bergen bei Hemleben bildet der helle, fast weiße Heldburggips einen markanten, langgestreckten Hügelzug.

Das lokale Klima ist hier besonders warm und trocken und bietet subkontinentalen Pflanzengemeinschaften gute Existenzbedingungen. Wenn der sonst selten gewordene Acker-Wachtelweizen im Juni ein flammendes Blütenmeer entfaltet, ist das ein besonderes Erlebnis. Die Äcker nebenan bieten weitere botanische Kostbarkeiten. Von Hemleben aus ist man auch schnell auf der Schmücke oder Finne und kann den Fernblick in's Thüringer Becken genießen. Dabei steht man auf Muschelkalk statt auf Keuper, da man inzwischen die Finnestörung überquert hat.

Schillingstädter Mulde
1) Spatenberge bei Hemleben - ein floristisch sehr ineressanter Hügelzug aus Keupergips. 2) Der Segelberg ist ein markanter, tafelbergartiger Keuperhügel in der Schillingstädter Mulde. 3) Hinter Hemleben (nordöstlich der Schillingstädter Mulde) beginnt der Muschelkalkrücken der Schmücke. Ein Tunnel der Autobahn A71 durchstößt diesen Höhenzug.


Finne bei Eckartsberga

Bei Eckartsberga bildet die Finne noch einen markanten Höhenrücken, läuft aber Richtung Bad Sulza allmählich aus. Während der Teil nordwestlich von Eckartsberga noch weitgehend bewaldet ist, erstrecken sich zwischen Eckartsberga und Bad Sulza offene Landschaften mit artenreichen Magerrasen auf Muschelkalk, Gebüschen, kleinen Gehölzen und Ackerflächen. Von hier aus hat man einen hervorragenden Einblick in das angrenzende Thüringer Becken mit dem Ettersberg bei Weimar. Bei sehr klarem Wetter taucht am Horizont sogar der Inselsberg als eine der höchsten Erhebungen des Thüringer Waldes auf.

Dieses Gelände war Schauplatz der Schlacht von Auerstädt (1806, Napoleonische Kriege). In Auerstädt und auf der Eckartsburg bei Eckartsberga wird an dieses Ereignis erinnert. In Bad Sulza ist das historische Ensemble der Salzgewinnungsanlagen erhalten und zu besichtigen. Die Salzgewinnung ist längst eingestellt, doch wird die Salzsiederei ab und zu für touristische Zwecke im historischen Siedehaus vorgeführt. Nach einer Wanderung kann man sich im Salzwasser des Solebades "Toskanatherme" wunderbar entspannen.

Finne
Die Kleinstadt Eckartsberga liegt abgeduckt in einem Durchbruchstal durch die Finne, überragt durch die Eckartsburg. Die Talbildung ist durch heine Querstörung der Finnestörung befördert worden. 2) Blick von den "Vierlinden" bei Eckartsberga in Richtung Bad Sulza. Die offene Landschaft eignet sich hervorragend für Wanderungen und zum Botanisieren.


Saaletal zwischen Camburg und Jena

Das Saaletal zwischen Camburg und Jena ist besonders reizvoll. Schroffe Muschelkalkhänge über einem breiten Rötsockel begleiten diese "klassische Meile" der Trias - Jena ist Typusregion des Unteren Muschelkalks (Jena-Formation). Das Gebiet liegt nicht im Kern des mitteldeutschen Trockengebietes und bekommt mehr Niederschlag ab als das untere Unstruttal. Sommerliche Gewitterzellen ziehen an der Finne entlang und bringen häufiger Niederschläge in diese Region. Warm sind die Muschelkalkhänge trotzdem und beherbergen eine reiche Flora mit Orchideen und anderen seltenen Pflanzen. Auch die Pilze profitieren von der höheren Feuchtigkeit, und wenn man zwischen Artern und Naumburg wegen Trockenheit kaum etwas findet, bieten der Tautenburger Wald und andere Wälder am Saaletal zur gleichen Zeit eine bisweilen erschlagende Fülle, darunter zahlreiche seltene Arten. Im engräumigen Mosaik sommerlicher Gewitterniederschläge bedeuten einige Kilometer Distanz also manchmal schon eine ganze Menge. Dornburger Schlösser und Jena laden als weitere Ziele zu Besuchen ein.

Saaletal bei Dornburg
1) Die Dornburger Schlösser wurden oft von Goethe besucht. Sie stehen auf wackligem Grund, denn im Steilhang unter den Schlössern liegt die Grenze Röt-Muschelkalk, ein problematischer Horizont. Er neigt bei Durchnässung zu Hangrutschen und Felsabbrüchen. 2) Blick vom Südrand des Tautenburger Waldes in Richtung Jena. Das Tal der Saale liegt im wesentlichen im Oberen Buntsandstein (Röt), dessen leicht ausräumbaren Gesteine eine weite Talbildung begünstigen. Darüber bauen sich die Muschelkalkbastionen der oberen Talhänge auf.


Saaletal zwischen Naumburg und Weißenfels

Von Naumburg aus windet sich die Saale in einigen großen Schleifen nach Weißenfels und durchschneidet hier eine Buntsandsteinplatte. Meist ist der Sandstein in Wäldern und Gehölzen verborgen. Das andere Extrem ist der Ort Schönburg mit seiner Burg. Dort gehört das farbenfrohe Gestein zum Dorfbild, denn manche Straßen sind förmlich in den Stein geschnitten worden. Nirgendwo sonst bilden Gestein und Bebauung eine solche organische Einheit. Etwas weiter talabwärts folgt auf der gegenüberliegenden Seite Schloss Goseck. Auch dieses Bauwerk besteht aus Buntsandstein, dessen alte Gewinnungsorte man unfern des Schlosses noch besichtigen kann. Der Hang ist auch eine gute Weinlage (Dechantenberg), begleitet von Trockenwäldern auf Buntsandstein und Löss. Bis Leissling und Weißenfels folgt noch eine sehenswerte Auenlandschaft mit Auwaldresten und Altarmen der Saale.

Saaletal bei Gosek
1) Schloss Goseck auf dem linken Saaehang. 2) In der Nähe von Goseck wurden Reste einer bronzezeitlichen Kreisanlage entdeckt und mit Hilfe eines Palisadenringes rekonstruiert. Die Anlage wird von den Archäologen als Sonnenobservatorium interpretiert.


Tagebaulandschaften bei Leipzig

Der Süden von Leipzig ist von Tagebaulandschaften geprägt. Über ein Jahrhundert ist hier Braunkohle in Tagebauen gewonnen worden. Die letzten großen Tagebaue unmittelbar vor der Südgrenze der Städte Leipzig und Markkleeberg, die Tagebaue Cospuden, Zwenkau und Espenhain, wurden nach der Wende aufgelassen und dann rekultiviert. Die daraus entstehende Seenlandschaft steht kurz vor ihrer Vollendung, denn demnächst werden auch die Restlöcher Störmthal (Teil des alten Tagebaus Espenhain) und Zwenkau ihren Endwasserstand erreicht haben. Die entstehende Naherholungslandschaft wird bereits stark genutzt.

Tagebaulandschaften sind aber auch wertvoll für die Natur. Das klingt paradox angesichts des rohen Zustands, den manche Bereiche noch immer zeigen. Aber gerade diese wenigen nicht von der Landschaftsgärtnerei (man möchte alles möglichst schnell grün haben) betroffenen Plätze erweisen sich oft als biologisch wertvoll, denn Rohbodenflächen sind rar geworden in unserer eutrophierten Landschaft. Manche seltene Pionierart findet dort zumindest vorübergehend eine Nische, bevor die weitere Sukzessionsentwicklung dieses Stadium wieder beendet. Man sollte ruhig mehr Flächen "unbehandelt" und der natürlichen Entwicklung ihren Lauf nehmen lassen. Für Biologen unterschiedlicher Disziplinen sind die Tagebaulandschaften ein interessantes Experimentierfeld der Natur.

Tagebaulandschaften bei Leipzig
1) Böschung am Störmthaler See bei Störmthal. Der über dem Wasser liegende Teil der Böschung besteht weitgehend aus Geschiebemergeln, Schmelzwassersanden und Kiesen der Elster- und Saaleeiszeit. Das Profil schließt mit einer Lössdecke der Weichselkaltzeit ab. 2) Uferschwalben haben ihre Röhren in oligozänen Formsanden angelegt. Das fein- und gleichkörnige Sediment der oligozänen Nordsee ist offensichtlich perfekt für die Uferschwalben geeignet. 3) Im ansteigenden Seespiegel des Zwenkauer Sees geht die Brückenkippe allmählich unter. Die damit untergehenden Birken sorgen einige Jahre für bizarre Bilder, stellen aber auch ein Hindernis für die Seenutzung dar. Sie können u.a. für einige Jahre den Schiffsverkehr einschränken.